Zürich

Orte

Wasserkirche

Wo heute die Wasserkirche steht, sollen gemäss Legende die Stadtheiligen Felix und Regula enthauptet worden sein. Die Geschwister sollen nach der Hinrichtung ihre Köpfe zu jener Stelle getragen haben sollen, wo heute das Grossmünster steht. Hier wurden sie begraben, über ihren Gräbern wurde später das Grossmünster erbaut. Die Wasserkirche, das Grossmünster und das Fraumünster – in allen drei Kirchen wurden Reliquien der Heiligen verehrt – bildeten die «Prozessionsachse», welche viele Wallfahrer beschritten. Die Reliquien sind während der Reformation verschwunden.

Ein erstes Kirchlein wurde um das Jahr 1000 errichtet, es wurde im 13. Jahrhundert umgebaut. 1487 wurde die heutige Wasserkirche im gotischen Stil eingeweiht. Sie stand bis 1838, als das heutige Limmatquai aufgeschüttet wurde, auf einer Insel. Nach der Reformation diente die Wasserkirche als Lagerhaus. Das angebaute Helmhaus stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts. An seiner Ostseite steht das Zwingli-Denkmal von 1885. Die Bibel in Zwinglis Hand erinnert daran, dass diese die Grundlage der Reformation war. Das Schwert soll zeigen, dass Zwingli auch eine Neuordnung der Gesellschaft anstrebte.

Grossmünster

Das Grossmünster war zur Zeit Zwinglis zugleich Chorherrenstift und Gemeindekirche. Hier begann Ulrich Zwingli 1519 mit seiner Auslegung des Matthäusevangeliums. Zwingli rief die «Prophezei» ins Leben: Täglich übersetzten Studierende und Gelehrte im Chor des Grossmünsters die Bibel, legten sie aus und predigten dem Volk. Daraus entstand eine Theologenschule und im 19. Jahrhundert die Universität Zürich, deren theologisches Seminar sich hier befindet. Hier entstand auch die erste vollständige Übersetzung der Bibel ins Deutsche, die «Froschauer Bibel» von 1531.

Das heutige Grossmünster, das Wahrzeichen der Stadt, wurde etwa zwischen 1100 und 1250 erbaut. Immer wirder wurde umgebaut, erst Ende des 18. Jahrhunderts wurden die heutigen neugotischen Kuppeln aufgesetzt. Die letzte wesentliche sichtbare Veränderung stammt von 2005 bis 2009, als die Fenster im Längsschiff von Sigmar Polke neu gestaltet wurden. Sehenswert sind die von Otto Münch gestalteten Türen mit biblischen Geschichten in der Nord- und mit Szenen der Reformationsgeschichte in der Südfassade (vgl. Station 4). Die Chorfenster von Augusto Giacometti zeigen die Weihnachtsgeschichte.

Der Südturm (Karlsturm) kann bestiegen werden und bietet einen schönen Rundblick über Zürich. Aussen ist die Kopie einer Sitzfigur von Karl dem Grossen angebracht (das Original befindet sich in der Krypta). Der Kaiser soll die Gräber der Heiligen Felix und Regula wiederentdeckt und den Bau der Kirche sowie der Probstei Felix und Regula angeordnet haben. Bis zur Reformation wohnten in der Probstei die 24 Chorherren (Gemeinschaft von Geistlichen, die keinem Orden angehörten). Sie wurde 1849 abgerissen und durch einen neoromanischen Bau ersetzt.

Helferei und Haus zur Sul

Im Haus zur Sul (Kirchgasse 22/Ecke Neustadtgasse) wohnte Ulrich Zwingli zuerst; danach wurde das heutige Kulturhaus Helferei seine Amtswohnung, in der er zusammen mit seiner Frau Anna Reinhard und vier Kindern lebte. Ihre Heirat 1524 gehörte zu den ersten «Pfarrerhochzeiten» und bereitete der Aufhebung des Zölibatzwangs den Weg. Als das Grossmünsterstift 1832 aufgehoben wurde, wurde das Haus Wohnsitz des Diakons, des «Helfers», daher der Name «Helferei». Die neugotische Kapelle wurde im 19. Jahrhundert angebaut.

Zwingli-Portal und Bullinger-Statue am Grossmünster

Seit 1939 zeigt das vom Bildhauer Otto Münch geschaffenes Bronzeportal 16 Szenen aus dem Leben Zwinglis. Von unten links sind Szenen aus seiner Jugend und aus der Schlacht von Marignano 1515 zu sehen. Dem im Deutschen Reich verfolgten Ritter Ulrich von Hutten gewährte Zwingli auf der Insel Ufenau Zuflucht. Das Quadrat rechts in der zweitobersten Reihe zeigt seinen Tod in der Schlacht von Kappel. Auch sein Nachfolger Heinrich Bullinger und Reformatoren aus anderen Schweizer Städten sind dargestellt. Ebenfalls beim Nordportal ist eine Statue von Heinrich Bullinger zu sehen.

Froschaugasse

Die Froschaugasse, ein Teilstück auf dem Weg zwischen Grossmünster und Predigerkirche, verdankt ihren Namen dem Buchdrucker Christoph Froschauer, der viele der Schriften Zwinglis druckte. Auch viele andere Schriften, besonders Bibelausgaben, Bibelübersetzungen und Bibelkommentare erschienen bei ihm. Berühmt wurde Froschauer aber durch das «Wurstessen» im März 1522: Während der Fastenzeit brachen er und seine Gesellen das kirchliche Verbot, Fleisch zu essen, und verpflegten sich mit Würsten. Zwischen dem Zähringer- und dem Predigerplatz erinnert der Froschauerbrunnen an den Buchdrucker.

Predigerkirche

Die Dominikaner, die so genannten Prediger, bauten hier im13. Jahrhundert ein Kloster und eine turmlose Kirche. Nach einem Brand kam ein gotischer Chor dazu. Mit der Reformation wurde das Kloster wurde zum Spital. Täglich erhielten hier die Armen Essen aus dem «Mushafen»: Das Geld, das man nicht mehr für den Kirchenschmuck brauchte, kam nun den Bedürftigen zugute. Im 19. Jahrhundert diente der Chor als Bibliothek. Heute ist die Predigerkirche ein Ort der Gastfreundschaft. Hier gibt es täglich ein Mittagsgebet und Gesprächsangebote. Mitten in der Stadt ist sie ein Raum der Ruhe und der Andacht.

Schipfe

Hier wurde am 5. Januar 1527 Felix Manz als erster Täufer verurteilt und in der Limmat ertränkt. Die Begründung war: «Aufruhr gegen die christliche Obrigkeit, Zerstörung der christlichen Gemeinschaft und Meineid.» Bis 1532 sind noch fünf weitere Täuferhinrichtungen in Zürich bekannt. Die weltweite Bewegung der Täufer oder «Mennoniten» sieht einen ihrer wichtigsten Ursprungsorte in Zürich. Im Juni 2004 wurde an der Schipfe zum Gedenken an diese Ereignisse eine Tafel enthüllt. Kirche und Regierung Zürichs bitten damit für die Verfolgung der Täufer um Entschuldigung.

St. Peter

St. Peter ist die älteste Pfarrkirche der Stadt Zürich, sie geht auf die Römerzeit zurück. Das heutige frühbarocke Kirchenschiff entstand 1705. Es war der erste Kirchenbau nach der Reformation. Von 1523 bis 1542 war Leo Jud, ein Freund Zwinglis und Mitübersetzer der Zürcher Bibel, hier Pfarrer. Die ersten Zerstörungsaktionen von Altarschmuck und Bildern fanden im September 1523 in St. Peter statt, nachdem Jud gegen die «Götzenverehrung» gepredigt hatte. Berühmt ist die Turmuhr von St. Peter; sie ist die grösste Kirchturmuhr Europas mit ihren vier Zifferblätter von je 8,64 m Durchmesser.

Fraumünster

Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts standen hier eine Kirche und ein Frauenkloster. Die Kirche hatte vom 12. bis ins 18. Jahrhundert zwei Türme. Die Äbtissin des Fraumünsters war nach altem Recht, im 16. Jahrhundert aber nur noch theoretisch, die Züricher Stadtherrin. Während der Reformation übergab die letzte Äbtissin des Klosters, Katharina von Zimmern, 1524 Abtei, Kirche und Besitz dem Rat von Zürich. Im Kreuzgang erinnert ein Denkmal an sie. Eine besondere Ausstrahlung geht von den Glasfenstern im Chor aus, die Marc Chagall ab 1967 geschaffen hat.

Rathaus

Die Reformation in Zürich war ein politischer Vorgang. Wichtige Entscheidungen fielen im Zürcher Rathaus. Das heutige Gebäude wurde 1698 an derselben Stelle wie das alte eingeweiht. Hier fand im Januar 1523 eine Disputation statt, an der Zwingli über seine Lehre Rechenschaft geben musste. An einer zweiten Disputation im Herbst 1523 sprach man über die Bilderverehrung, die Messe und deren Abschaffung. Noch heute tagt der Kantonsrat jeden Montag im Rathaus, der Gemeinderat der Stadt Zürich versammelt sich hier am Mittwoch. Auch die Kirchenparlamente nutzen das Rathaus als Tagungsort.

Historie

Der Ursprung des Christentums in Zürich geht gemäss der Legende auf die Stadtheiligen Felix und Regula zurück. Sie sollen während der letzten Christenverfolgung unter Diokletian um 300 enthauptet worden sein, weil sie sich als Angehörige der Thebäischen Legion weigerten, Christen zu verfolgen. 1200 Jahre später, zur Zeit der Reformation, zählte Zürich etwa 7000 Einwohner. Abgabenforderungen von Klöstern und Kirche lasteten auf der Bevölkerung. Es wurden Reliquien verehrt, es gab kostbare Altäre, Insignien und Messgewänder.

1519 wählte die Stadtregierung den Toggenburger Ulrich Zwingli als «Leutpriester» (Pfarrer für die einheimischen Gemeindeglieder und Pilger) ans Grossmünster. Zwingli setzte sich in Zürich gegen das Söldnerwesen, aber auch gegen den Heiligenkult, den Ablasshandel und die Messe ein. Er hielt sich von Anfang an nicht an die kirchliche Leseordnung, sondern legte das Matthäusevangelium der Reihe nach aus. Zwingli fand bald Gleichgesinnte unter Theologen, Bürgerschaft und Regierung, welche die Reformation stützten. Die Klöster wurden geschlossen und dienten nun anderen Zwecken.

Es kam zu Kriegen mit der katholischen Innerschweiz. Aus dem 1. Kappeler Krieg («Kappeler Milchsuppe») ging Zürich siegreich hervor. Vom 2. Kappeler Krieg jedoch wurde Zürich überrascht. Ein übereilt zusammengetrommeltes Häuflein Zürcher wurde von den gut gerüsteten Innerschweizern vernichtend geschlagen. Unter den Gefallenen war auch Zwingli. Sein Nachfolger wurde Heinrich Bullinger. Während Jahrhunderten war Zürich eine rein reformierte Stadt. Erst in den letzten 100 Jahren entstanden wegen der Zuwanderung auch wieder katholische Kirchen.

Zürich ist auch die Geburtsstätte der Täuferbewegung. Ursprüngliche Anhänger Zwinglis forderten radikalere Reformen. Sie lehnten die Kindertaufe ab und verweigerten den Eid. Einige wollten sich in kleinen Gemeinden von wahren Gläubigen sammeln, andere sympathisierten mit aufständischen Bauern. Der Rat fürchtete eine Revolution und drohte er mit zunehmend härteren Strafen. Am 5. Januar 1527 wurde Felix Manz als erster Täufer in der Limmat ertränkt. Bis 1532 sind noch fünf weitere Täuferhinrichtungen in Zürich bekannt. Die weltweite Bewegung der Täufer sieht ihren Ursprungsort in Zürich.

Ulrich Zwingli

Zwingli wurde am 1. Januar 1484 in Wildhaus im Toggenburg geboren. In Basel erhielt er eine theologische und humanistische Bildung. Der Rat von Zürich berief ihn als Leutpriester ans Grossmünster, wo er seine Arbeit 1519, an seinem 35. Geburtstag, begann. Allein durch die Auslegung der Bibel kritisierte Zwingli kirchliche und religiöse Missbräuche seiner Zeit, aber auch das einträgliche Geschäft des Reislaufens (Söldnerwesen). Er hatte als Seelsorger bei der Schlacht von Marignano 1515 das Elend der Söldner miterlebt. Noch glaubt er an die Reformfähigkeit der katholischen Kirche.

Während der Fastenzeit 1522 assen der Buchdrucker Froschauer und seine Gesellen Wurst zum Abendessen und wurden deswegen angeklagt. Zwingli verteidigte die «Schuldigen» mit Predigten und der Schrift «Vom Erkiesen (Auswählen) und der Freiheit der Speisen». Der Grosse Rat veranstaltete im Januar 1523 eine Disputation über Zwinglis Lehre und erlaubte ihm, damit weiterzufahren. Ein Jahr später hob der Rat die Fastengesetze vollends auf. 1524 heiratete er Anna Reinhart; das war der eigentliche Bruch mit der katholischen Kirche.

Zwinglis Predigten, seine Schriften und sein persönlicher Einfluss bewirkten, dass der Rat der Stadt Zürich in den folgenden Jahren die Heiligenfiguren und Kirchenschätze entfernen liess. Auch Gesang und Orgelmusik wurden auf Jahre aus dem Gottesdienst verbannt. Der Altar für das Messopfer wurde ersetzt durch einen schlichten Tisch. Das Abendmahl sollte eine Dankes- und Erinnerungsfeier der Gemeinde sein. Es war auch das Abendmahl, welches Zwingli von Martin Luther entzweite. Dieser glaubte an die wirkliche Gegenwart Christi in Brot und Wein, Zwingli aber nur an eine symbolische.

Gemeinsam mit Landgraf Philipp dem Grossmütigen von Hessen hatte Zwingli grosse Pläne: Eine reformierte Achse sollte ganz Europa vom Katholizismus befreien. Seit 1528 war auch das mächtige Bern dank Zwinglis Intervention reformiert, und die Schweiz nach dem 1. Kappeler Krieg vermeintlich befriedet. Doch 1531 kam es, für Zürich überraschend, zum 2. Kappeler Krieg. Die schlecht vorbereiteten Zürcher wurden vernichtend geschlagen. Auch Zwingli selber wurde von den Innerschweizern gefangen genommen und getötet. Sein Tod stürzte die Reformation weit über Zürich hinaus in eine tiefe Krise.

Heinrich Bullinger

Nach Zwinglis Tod bei Kappel wurde Heinrich Bullinger aus Bremgarten mit nur 28 Jahren Nachfolger des Reformators. Er übte sein Amt als Antistes – so wurde der Vorsteher der Zürcher Kirche genannt – während 44 Jahren aus, bis zu seinem Tod im Jahre 1575. 1529 heiratete er Anna Adlischwyler, eine der letzten Nonnen aus dem Kloster Oetenbach in Zürich. Die beiden hatten elf Kinder und führten eine glückliche Ehe. Die Familie wohnte im Antistitium, gegenüber dem Grossmünster. Hier fanden immer wieder Bedürftige und Flüchtlinge Zuflucht. 1565 starben Anna und drei der Töchter an der Pest.

Mit seinen zahlreichen theologischen Schriften festigte Bullinger die Zürcher Reformation und verbreitete sie europaweit. Für viele Reformierte in ganz Europa war er der Lehrer und Seelsorger der Reformation. Seine Briefkorrespondenz umfasst etwa 12 000 erhaltene Briefe. Adressaten sind Fürsten und Königinnen, aber auch ganz gewöhnliche Menschen. 1549 einigte er sich mit Johannes Calvin im «Consensus Tigurinus» in der Abendmahlsfrage. Bullingers «Zweites Helvetisches Bekenntnis» wurde von vielen Kirchen in der ganzen Welt geschätzt oder gar als eigenes Glaubensbekenntnis übernommen.